Amman,

Arne Hentschel berichtet direkt von der syrisch-jordanischen Grenze

Der Blog erscheint im Hamburger Abendblatt. www.hamburger-abendblatt.de

Blog aus dem Krisengebiet: Teil 1 - Arne Hentschel berichtet direkt von der syrisch-jordanischen Grenze

Mit 22 Grad ist es heute recht frisch hier. Die Arbeit läuft gut.

Aktuell reparieren wir vorhandene Wasserentnahmestellen und planen gerade den Bau weiterer Abnahmestellen. In dieser Woche wollen wir mit dem Bau einer zusätzlichen Pipeline beginnen. Durch den ständigen Zustrom werden ständig neue Wasserleitungen benötigt.

Aktuell kommen jede Nacht inzwischen 3000 bis 4000 Menschen in Zaatari an. Bei der Menge kann man sich leicht vorstellen, dass das Wassernetz ständig erweitert werden muss. Selbstverständlich gibt es in einer solchen Situation viele Probleme. Allerdings sind die Hilfsorganisationen inzwischen gut eingespielt.

Jede Organisation hat ihre festen Aufgaben. Das beginnt bei der Aufnahme der Flüchtlinge an der Grenze, geht über die Registrierung im Camp, die Verteilung der Hilfsgüter und Zelte bis zur Kinderbetreuung. Ja, es dauert in solchen Nächten dann ein paar Stunden, bis jeder versorgt ist. Es bekommt aber definitiv jeder seinen Platz.

Ich bin hier vielen interessanten Menschen begegnet. Unter den Syrern sind viele, die in Deutschland gelebt haben. Ich hatte ein sehr nettes Gespräch mit einem lokalen Helfer von uns. Er war studierter Wasseringenieur in der DDR. Seinen Altersruhestand wollte er bei der Familie in seiner Heimat genießen. Nun lebt er seit Monaten als Flüchtling in diesem Camp. Er hat seine Familie hierher in Sicherheit gebracht. Nun weiß er nicht, wie es weitergehen soll.

Blog aus dem Krisengebiet: Teil 2 - Ein Morgen in Zaatari

Die Nacht ist gegen 6.30 Uhr beendet. Frühstück besteht aus einem schnellen Kaffee und kurzen Gesprächen mit den Kameraden. Man tauscht sich über leichte Themen aus. Spricht über Beruf und Familie. Dann geht es ins Camp. Der Fahrt dauert 45 bis 60 Minuten, je nach Verkehr. Amman hat Verkehrsprobleme wie fast alle Großstädte. Auf dem Weg ins Camp kann man sich zu dieser Jahreszeit an den schönen Seiten Jordaniens erfreuen. Für ein paar Wochen wechselt die Wüste ihre Farben und blüht. Immer wieder führt unser Weg an satten Wiesen vorbei. Ich kann mir gut vorstellen, wie hier früher die Karawanen auf ihren langen Reisen rasteten und Kraft tankten. Doch unsere Fahrt führt uns weiter in die Wüste, dichter an die syrische Grenze.

Schon viele Kilometer vor unserem Ziel kann man am Horizont Zaatari erkennen. Tausende weiße Zelte reflektieren das Sonnenlicht. Im Camp herrscht schon früh wilder Trubel. Die ersten Händler haben ihre Stände aufgebaut und versuchen, Waren aus aller Welt anzupreisen. Vorm Camp warten die ersten Besucher auf Einlass. Lange Schlangen bilden sich, Menschentrauben versperren die Wege und Straßen. Die Polizei hat alle Hände voll zu tun, um jeden zu kontrollieren. Ohne Anmeldung kommt keiner rein, keiner raus. Hier wird Sicherheit sehr groß geschrieben. In einer solch angespannten Lage möchte man jeden Konflikt vermeiden und ist vorbereitet.

Unser Arbeitsbereich liegt im Basecamp, einem abgesperrten Bereich hinter hohen Zäunen. Hier ist auch die Einsatzzentrale vom UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und vom UNO-Kinderhilfswerk UNICEF. Zu Beginn besorgen wir uns die wichtigsten Neuigkeiten und Zahlen. Wie ist die Sicherheitslage? Wie viele Flüchtlinge sind in der Nacht angekommen? Die Zahlen sind immer erschreckend gleich. Wieder eine Nacht mit mehr als 4000 Menschen. Nacht für Nacht menschliche Schicksale, tausendfach gleich und doch jedes mit einer eigenen Geschichte. Oft sind die Menschen Tage auf der Flucht. Begleitet von der Angst, nicht das sichere Nachbarland Jordanien zu erreichen. Keiner kennt die Zahl derer, die es nicht schaffen. Es gibt nur Vermutungen und Spekulationen.

Die Menschen flüchten im Schutz der Nacht. Sie durchqueren die Wüste oft mit letzter Kraft. Nur getrieben von der Hoffnung auf Sicherheit. Über die Hälfte sind Kinder. Viele kommen ohne ihre Eltern. Deren Schicksale sind uns unbekannt. Wir können nur vermuten, was mit ihnen geschehen ist.

Im Grenzgebiet werden die Flüchtlinge vom jordanischen Militär eingesammelt, registriert und in Bussen nach Zaatari gebracht. Dort nimmt sich der UNHCR ihrer an. Die elternlosen Kinder werden von UNICEF aufgenommen.

Danach beginnt der Job der Organisationen aus aller Welt. Wir sind ein großes internationales Team und kommen. Jeder hat seine Aufgabe und erfüllt sie gewissenhaft, Die Menschen in Deutschland können sich sicher sein, dass ihre Spenden gut ankommen und sinnvoll investiert werden.

Der Arbeitstag im Camp ist lang und abwechslungsreich. Wir sind immer bestrebt, alle Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen. Das THW ist für den Aufbau und die Wartung der Sanitär- und Kochbereiche zuständig. Mit unseren lokalen Mitarbeitern werden täglich neue Waschhäuser errichtet und alte repariert. Die Kommunikation erfolgt in Englisch oder mit Händen und Füßen. Doch das gemeinsame Ziel hilft, die Sprachbarriere zu überwinden.

In den vergangenen Tagen häufte sich die Zahl prominenter Besucher. Politiker und Abgeordnete aus aller Welt kommen und machen sich ein Bild von der Lage. Jedes Land ist gefordert, diese humanitäre Katastrophe zu beheben. Auch die Bundesrepublik erweitert ihre Hilfe. Mehrere Möglichkeiten werden aktuell geprüft. In den nächsten Tagen erwarten wir wieder mehrere Gäste aus Deutschland.

Blog aus dem Krisengebiet: Teil 3 - Leben wie vor tausend Jahren

Trotz der schweren Arbeit ist jeder Tag ein Geschenk. Wir arbeiten zwar den ganzen Tag in der glühenden Sonne, doch jeder will sein Tagesziel erreichen. Heute ist es die "Washfacility Nr. 226". Die Zeit drängt. Seit Tagen stehen hier schon die Zelte. Hunderte Menschen warten auf die Fertigstellung. In Deutschland ist ein WC oder eine Dusche eine Selbstverständlichkeit, hier sind es Luxusgüter. Wir kennen eine solche Situation vielleicht nur vom Campingplatz für die Dauer eines kurzen Urlaubs. Aber in Zaatari müssen die Menschen noch Monate mit schwierigen Sanitärverhältnissen leben.

Aus Angst um ihr Leben haben die Flüchtlinge von Za´atari ihre Wohnungen gegen Zelte getauscht. Sie führen nun ein ähnliches Leben wie ihre Vorfahren vor tausend Jahren als Beduinen in der Wüste. Sie waren Bankangestellte, Mechaniker, Arbeiter, Lehrer oder Ingenieure in Damaskus. Nun gehören sie zu den Ärmsten der Welt. Dieser Wandel ist nicht immer konfliktfrei. Hin und wieder kommt es zu Demonstrationen für Freiheit und Frieden. Manchmal muss die jordanische Polizei eingreifen und für Ruhe sorgen.

Für die Polizisten oft ein schmaler Grat: Sie verstehen den Unmut und die Sorgen der Syrer. Für diese Zeit müssen wir das Feld räumen und unsere Arbeit kurzfristig einstellen. Für uns Helfer ist es dann immer sehr frustrierend. Wir haben unseren Zeitplan und wollen ihn erfüllen.

Sobald wieder Ruhe einkehrt ist, geht unsere Arbeit weiter - mit noch mehr Kräften und noch mehr persönlichem Einsatz. Nr. 226 soll doch heute noch fertig werden.

Blog aus Krisengebiet: Teil 4 - Kinderlachen motiviert

Oft kommen viele Kinder vorbei und schauen uns bei der Arbeit zu. Für sie sind wir etwas ganz Besonderes. Wir sind die Männer mit der hellen Haut, die so komisch sprechen und alles reparieren - manchmal sogar ihr einziges Spielzeug. Dann bringen wir wieder ein Lächeln in ihre traurigen Gesichter. Das sind die Momente, die uns motivieren. Das sind die Momente, in denen wir wissen, warum wir unsere Familien und unsere Heimat über 3200 Kilometer hinter uns gelassen haben und nun in der Wüste von Jordanien arbeiten. Doch wir können nach Hause, wir haben ein Zuhause. Wir haben Menschen, die auf uns warten. Diese Kinder und Familien vielleicht nicht. Denn sie sind nun die Bewohner von Za´atari.

Blog aus Krisengebiet: Teil 5 - Einsatzauftrag verlängert

Neben der eigenen Entscheidung erfordert eine Verlängerung immer eine Abstimmung mit der Familie und dem Arbeitgeber. Kann und will ich weitere Wochen auf mein gewohntes Leben verzichten? Das ist die Kernfrage. Die Antwort auf diese Frage findet jeder Helfer für sich selber.

Bisher waren über 120 THW-Helfer in Jordanien im Einsatz, manche inzwischen ein zweites Mal. So sehr wir uns alle auf die Heimat freuen, fällt jedem der Abschied schwer. Wir kommen, um zu helfen und müssen eines Tages wieder gehen. Das Leid der Bewohner von Za´atari bleibt und sie bleiben in unserer Erinnerung. In vier Wochen schafft ein ausgebildeter THW-Experte jede Menge Arbeit. Er bringt sein gesamtes Fachwissen zum Wohle der syrischen Flüchtlinge ein. Er baut Waschhäuser und Sanitäranlagen oder Abwasserleitungen. Dinge, die wir in der Heimat selbstverständlich nutzen und kaum beachten. Hier besichern diese Dinge das Überleben der Menschen. Dadurch wird jede Heimreise zu einem schweren Gang.

Die Menschen nennen uns "die Männer mit den blauen Mützen" oder "The German Engineers". Sie vertrauen uns und sie bauen auf unsere Hilfe. Als Ausdruck ihrer Dankbarkeit laden sie uns manchmal in ihre Zelte zum Tee ein und erzählen sie uns ihre Geschichten. Wir Helfer entdecken im Lager sehr viel mehr als die Arbeit. Wir beginnen den fremden Kulturkreis zu verstehen und finden Freunde unter den Kameraden und lokalen Mitarbeiten. Zuvor unbekannte Menschen werden zu Mitstreitern für eine gemeinsame Sache, für ein gemeinsames Ziel. Das verbindet viele für immer und über die Grenzen hinaus.


Jede Verabschiedung eines Kameraden wird für alle ein schweres Ereignis. Am Abend der Abreise sitzt man zusammen und erzählt sich von den gemeinsamen Erlebnissen. Man lacht und versucht, den Abschied zu beschönen. Man spricht über freudige und schwierige Ereignisse im Camp, über Erlebtes und über die Bewohner von Za´atari. Wir erzählen uns dann ihre Geschichten aus den Zelten, über ihr Leben vor der Syrienkrise und über ihre lange Flucht. Die Uhr tickt unaufhaltsam und es kommt die Zeit zum Gehen. Mit Freude auf die Heimat und mit Wehmut im Herzen nimmt der Kamerad seinen Rucksack. Er verabschiedet sich von allen und fährt davon. "Du kannst den Mann aus der Wüste nehmen, aber nie die Wüste aus dem Mann", wird oft zum Abschied gesagt - oder ein einfaches "See you, my friend!" Was wir hier täglich erleben, wird uns ewig verbinden. Die gemeinsame Zeit ist nur kurz, aber dafür sehr intensiv. Ich habe meinen Abschied um vier Wochen aufgeschoben. Ich werde noch weitere vier Wochen meinen Job machen und den Menschen helfen. Sie brauchen unsere Hilfe. Ich kann ihnen helfen, und ich bin jetzt hier

Blog aus Krisengebiet: Teil 6 - Zahl der Flüchtlinge steigt

 Vor ein paar Tagen bin ich durch die unendlichen Zeltreihen gefahren. Mir fiel eine Frau auf, die weinend vor ihrem Zelt hockte. Auf ihren dunklen Kleidern sah man den Staub der Wüste. Zwei kleine Kinder spielten neben ihr im Wüstensand mit Steinen. Sie hockte da und regte sich kaum, doch ihr Gesichtsausdruck zeigte eine große Leere. Es brauchte keine Worte, um ihr Leid zu verstehen. Man konnte ihr die Verzweiflung ansehen. Sie gehört zu den Frauen, die von ihren Männern hierher in Sicherheit gebracht werden. Oft bleiben die Männer nur für eine kurze Erholung und fahren nach Syrien zurück. Viele kommen nie wieder. Sie weiß es. In ihrer Trauer sucht sie verzweifelt nach Erklärungen. Sie weiß, sie steht am Anfang einer langen Reise.

Die schweren Monate liegen noch vor uns und vor ihr. Wir befinden uns in der Wüste in einem der wasserärmsten Länder der Welt. Bei meiner Ankunft im März lagen die durchschnittlichen Temperaturen bei 23 Grad. Inzwischen kratzen wir an der 40-Grad-Marke, und in wenigen Wochen werden wir weit darüber liegen. Die Luft ist so trocken, dass man nach dem Händewaschen kein Handtuch braucht. Innerhalb weniger Sekunden sind die Hände trocken.

Das Wetter wird neue Anforderungen an alle stellen. Die Experten wissen, dass der Wasserverbrauch steigen wird. Die Lösung wird eine große Herausforderung. Wie wird es den Menschen in den Zelten ergehen? Wie werden wir ihren steigenden Wasserbedarf decken können? Werden die Spenden die Kosten für mögliche Lösungen decken? Wird die Welt den syrischen Flüchtlingen die Hilfe geben können, die sie brauchen?

Täglich steigt die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien. Die Nachrichten lassen keine Veränderung der Lage erkennen. Die Vereinten Nationen versuchen fieberhaft, auf allen politischen und diplomatischen Wegen Lösungen zu finden. Alle sind sich sicher, dass es eine Lösung geben wird. Welche es immer es sein wird - sie muss nur schnell kommen.

Bis dahin sitzen noch viele Frauen weinend vor ihren Zelten. Bis dahin spielen die Kinder weiter im Wüstensand. Bis dahin werden wir die Menschen nicht vergessen, auch wenn jeder von uns eines Tages seinen Rucksack nehmen muss. In unseren Herzen und Gedanken nehmen wir sie mit - die Bewohner von Za´atari.

Blog aus Krisengebiet: Teil 7 - Der Neue kommt

Am nächsten Morgen fahren wir wieder ins Camp zurück. Manchmal kommt in der Nacht der Ersatzmann für einen eben verabschiedeten Kameraden. Der ist "der Neue". Er sitzt in unserem Geländewagen und hört interessiert unsere Erklärungen zum Camp an. Wir alle kennen seine Gedanken, seine Aufregung, seine Erwartungen. Vor wenigen Wochen saß ich auf seinem Platz.

Man lernt sich etwas kennen und "beschnuppert sich". Was kann der Neue? Wo kommt er her? Was denkt er? Wird er den verabschiedeten Kameraden ersetzten können? Ja, er wird! Wir alle haben die gleiche Ausbildung beim THW durchlaufen. Er ist Fachmann auf seinem Gebiet, sonst wäre er nicht hier. Dennoch ist die Neugierde auf ihn groß. In wenigen Tagen haben sich alle Fragen erübrigt. Er wird in kürzester Zeit ein fester Teil unseres Team sein.

Wir erreichen das Camp. Alle seine Vorstellungen und Erwartungen werden in dem Moment der Einfahrt durch das Haupttor über den Haufen geworfen. Das Bild, welches einem hinter dem Tor begegnet, sprengt alle Vorstellungen. Nur aus Berichten kann sich niemand diese Dimension vorstellen. Im Moment der Tordurchfahrt betreten wir eine andere Welt. Wir lassen das bezaubernde Land Jordanien hinter uns und tauchen in die Welt der Tragödien und Schicksale ein.

Zaatari ist für die Flüchtlinge auch die Stadt der Hoffnung. Hoffnung, nicht von der Welt vergessen zu werden. Hoffnung auf einen Ausweg aus dem Leid und auf ein baldiges Ende des Syrienkonfliktes. Darauf hoffen alle, denn dann können sie wieder zurück in ihre Heimat gehen, wie die Kameraden beim Abschied am Vorabend.

Für die Neuen gibt es einen festen Ablauf. Als Erstes gibt es eine umfangreiche Sicherheitseinweisung. Er muss sich mit den wichtigsten Sicherheitsregeln auskennen, um für den "Fall der Fälle" vorbereitet zu sein. Was immer dieser Fall sein wird, das gesamte Team könnte von seinem Verhalten abhängig sein. Er trägt schon jetzt eine große Verantwortung, dabei ist er eben erst angekommen. Anschließend geht es zur großen Vorstellungsrunde. Er lernt nur den Innenbereich von Zaatari kennen. Wir zeigen ihm die Krankenhäuser, die Sicherheitsbereiche, die Lagerhäuser und unsere Baustellen. Hier lernt er die restlichen Kameraden und unsere lokalen Mitarbeiter kennen. Auf dem Weg zu den einzelnen Stationen lernt er jedoch das Wichtigste kennen: die Bewohner von Zaatari. Er sieht ihr reges Treiben auf der Einkaufsstraße, ihre ideenreichen Umbaumaßnahmen von Zelten und Containern. Er sieht die Kinder beim Spielen, die Menschen beim Beten. Er sieht sie lachen und weinen.

Jeden Tag staune ich erneut über diese riesige Zeltstadt inmitten der Wüste. Zaatari ist zu einer ungeahnten Größe gewachsen. Mehr als 120.000 Menschen überleben hier und müssen versorgt werden. Sie haben einen natürlichen Bedarf an Schulen, Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen und einen Platz für ihren Glauben. Besonders der Glaube ist für die Menschen wichtig. Oft ist es das Einzige, was ihnen geblieben ist.

Jeden Tag werden Tonnen an Brot und Lebensmitteln ins Camp gefahren. In der kargen Gegend von Zaatari gibt es nichts, außer ein paar Olivenplantagen. Selbst das Trinkwasser führen wir mit Lkw zu. Hier gibt es keinen Brunnen, die wir nutzen können. Es gibt nur Sand und Wind.

Deshalb blüht der Handel in der Mainroad. Hier können sich die Menschen von ihrem wenigen Geld das Notwendigste kaufen. Die Mainroad ist die Hauptader von Zaatari. Dicht an dicht reihen sich die kleinen Blechläden aneinander. Notdürftig zusammengeschraubte Buden, die kaum den nächsten Sturm überstehen, bieten Waren jeder Art. Decken, Schuhe, Tomaten oder Kaffee. Alles gibt es in der Mainroad. Eine Konzession für ein Geschäft zu bekommen, ist kaum möglich. Keiner möchte hier seine Einnahmequelle hergeben.

40 Grad

Inzwischen übersteigen wir die 40 Grad-Marke regelmäßig. Nur die Zelte spenden einen kleinen Schatten, der den Menschen etwas Schutz vor der Sonne gibt. In den Zelten ist die Temperatur deutlich höher. Bei diesen Temperaturen kommt das Leben im Camp fast zum Erliegen. Die Mittagssonne brennt unerbittlich. Unsere Teams müssen die Arbeit einstellen. Erst am frühen Nachmittag können wir die verlorene Zeit wieder einholen.

Wir hatten hohen Besuch aus Deutschland. Frank-Walter Steinmeier machte sich unter hohem Sicherheitsaufgebot ein Bild von der Lage. Er ließ sich die aktuelle Situation vom UNHCR-Campleiter Kilian Kleinschmidt erklären und informierte sich über die Arbeit des THW. Zaatari ist von weiteren Geldern aus Deutschland abhängig. Die aktuelle Entwicklung der Syrienkrise deutet eindeutig auf viele weitere Monate in der Wüste hin. Die Planungen und Bauarbeiten für ein weiteres Camp laufen auf Hochtouren. Wir haben unser Team dafür um weitere Kameraden aufgestockt.

Nun lebe ich neun Wochen zwischen den Kulturen in Jordanien. Als deutscher Helfer in Jordanien für Flüchtlinge aus Syrien. Unsere lokalen Mitarbeiter kommen aus Jordanien, Syrien, Palästina, Libanon, Iran und Ägypten. Mit Stolz arbeiten sie für uns. Für diese Menschen ist es eine Ehre, für eine deutsche Regierungsorganisation zu arbeiten. Ich habe unter ihnen viele tolle Menschen kennengelernt. Habe versucht, ihre Kultur zu verstehen, und sie haben versucht, etwas über Deutschland zu lernen. Diese gegenseitige Bereicherung hätte ich als Tourist wahrscheinlich nie erfahren. Mein Wissen über Jordanien, Syrien und den Bürgerkrieg hätte ich mir aus den Nachrichten gebildet. Ich habe die Möglichkeit, hinter die Kameras zu schauen. Ich sah Menschen und ihre Verletzungen, die traumatisierten Frauen und Kinder. Männer, die ihre Familien nachts brachten und nun wieder in den Krieg ziehen. Menschen, die in dieser unwirklichen Welt versuchten, die Zeit bis zum Frieden zu überstehen. Ich sah aber auch Hoffnung. Mutter mit ihren Neugeborenen. Täglich kommen hier acht bis zehn in der zur Welt. Sah, wie die Menschen sich über die Eröffnung der von Deutschland finanzierten Schule freuten, oder die großen Hochzeitsgemeinschaften.

In den Organisationen fand ich Menschen aus aller Welt, die für ein gemeinsames Ziel arbeiten. Das Ziel lautet, 120.000 Syrern beim Überleben zu helfen. Ohne mehr Spenden wird dieses Ziel immer schwerer zu erreichen sein. Wir können den Menschen finanziell helfen. Die tätigen Organisationen sind gut und investieren die Spenden an den richtigen Stellen.

Meine Zeit ist nun vorbei. Ich packe meine Sachen und werde kurz vor meiner Abreise meinen Namen von der Tafel wischen. Ich reise mit verschiedenen Gefühlen heim. Freude auf die Heimat und die Familie, aber auch mit Tränen in den Augen für die Menschen, die in dieser ungewissen Zukunft verbleiben. Welchen Weg wird das Land gehen? Breitet sich der Syrienkonflikt auch auf Jordanien aus? Die Zukunft geht auf einem schmalen Grad.

Meine Arbeit ist beendet, und mein Nachfolger wird meine Aufgabe weiterführen. Die Bewohner von Zaatari nehme ich in meinen Erinnerungen mit. Ich war neun Wochen ein Teil von ihnen. Sie gaben wir etwas, was mir nie wieder jemand nehmen wird.

Ich nehme meinen Rucksack und fahre in meine Heimat. Sie bleiben hier, weil ihre Heimat in einem der schlimmsten Bürgerkriege untergeht. Ihre Heimat ist nun die Wüste von Jordanien, und sie sind die Bewohner von Zaatari.

Bericht und Fotos: Arne Hentschel

Der Bericht erscheint auch im Hamburger-Abendblatt unter www.abendblatt.de

Wir danken dem Hamburger Abendblatt für die Unterstützung bei der Veröffentlichung. -www.abendblatt.de/jordanien

Wir danken der Firma Nordisk Freizeit GmbH für die Ausstattung unserer Kameraden - www.nordisk.eu

Weitere Informationen unter:

Bundesanstalt Technisches Hilfswerk: www.thw.de

UNCEF-Jordanien: http://www.unicef.org/infobycountry/jordan.html

UNHCR-Mittlerer Osten: http://www.unhcr.org/pages/49e486566.html


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